Raus aus dem digitalen Dilemma (Fortsetzung „Das digitale Dilemma“)
Unternehmen stehen jetzt, in diesem Moment, wieder einmal vor gewaltigen Herausforderungen. So schnell wie in diesen Tagen haben sich, nicht zuletzt aufgrund der aktuellen globalen Faktoren, Markt- und Vermarktungsbedingungen (Absatzmärkte, Preise, Kundenverhalten, Einkaufsbedingungen und Lieferketten) schon lange nicht mehr verändert. Das zeigt letztendlich, wie anfällig das globale System ist. Es muss gehandelt werden, doch nicht kurzsichtig. Jetzt Investitionen in digitale Lösungen zu stoppen oder zu verschieben, kann sich als fataler Fehler herausstellen, denn die Anforderungen an Unternehmen bleiben weiter in Bewegung und auch Arbeitsmarkt bietet keinen Spielraum. Und das wird auch nach der Krise so sein.
Wie also kann man diesen Herausforderungen jetzt und hier begegnen? Wie können und sollten sich Unternehmen transformieren um für die Volatilitäten der Markte gerüstet zu sein?
Strukturen | Strukturen sind die Basis für die Umsetzung aller Projekt- und Prozessarbeiten. Doch wie sollen Projekte effizient umgesetzt werden, wenn MitarbeiterInnen, die in das Projekt berufen werden, immer noch einer bestimmten Abteilung angehört und deren Interessen vertreten (oder vertreten müssen)? Prozesse, aber insbesondere Projekte, sollten von Teams bearbeitet werden, die vor allem dem Ziel des Vorhabens verpflichtet sind. Teams die sich aus Mitarbeitenden zusammensetzen die das benötigte Fachwissen, die Expertise, aber auch das Standing und die Erfahrung haben mit der notwendigen Unvoreingenommenheit an eine Sache heranzugehen. Ein solcher Ansatz kann eine echte WinWin Situation für alle herbeiführen. Talentierte MitarbeiterInnen erhalten spannende Herausforderungen und viel Raum zur Weiterentwicklung und Unternehmen bekommen dafür flexible Teams mit Mitarbeitenden, die das ganze Unternehmen und Gesamtprozesse anstelle von Abteilung oder einzelnen Organisationseinheiten im Blick haben.
- Was heißt das konkret für Unternehmen? | Die Organisation als Ganzes, aber auch die handelnden Personen müssen lernen. Das geht mit Schulungen vor allem aber über Erfahrungen. Es braucht ein Mindset, dass Fehler als Erfahrungswert akzeptiert. Fehler passieren ständig, auch heute schon, doch mit dem richtigen Mindset werden diese nicht unter den Teppich gekehrt sondern zu lernen und damit für die Entwicklung genutzt. Digitale Transformation erfordert auch immer eine Transformation von Prozessen und in den Köpfen. Die Bereitschaft zur Veränderung sollte, ja muss allgegenwärtig sein. Ohne diese Fähigkeit einer Organisation wird Thorsten Dirks, ehem. CEO von Telefónica Deutschland, recht behalten. Bereits 2015 äußerte er den prägnanten Satz „Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess“.
KPIs | Ein weiterer Faktor erfolgreicher Transformation ist ein Umdenken bei der Sicht auf Erfolgsfaktoren. Diese sollten zukünftig nicht ausschließlich auf finanzielle Kennzahlen des Kerngeschäfts ausgerichtet sein. Vielmehr kann z.B. die Eroberung eines Absatzmarktes oder die Kundenzufriedenheit mit klar messbaren Größen digitaler Aktivitäten wie Leadgenerierung, Konversionraten, Reklamationsaufkommen o.ä. gemessen werden. Die Messung von Erfolg und die Steuerung von Prioritäten kann nur dann funktionieren wenn auch bei den Kennzahlen digitale Frühindikatoren einen größeren Einfluss auch die Entscheidungsfindung bekommen.
- Was heißt das konkret für Unternehmen? | Transparenz und Offenheit im Bezug auf die digital erhobenen Fakten ist die Grundvoraussetzung. Aus der Digitalisierung von Prozessen oder Geschäftsmodellen ergeben sich vielfältige Möglichkeiten und Optionen den Blickwinkel auf die eigenen Aktivitäten zu verändern und daraus Schlüsse zu ziehen. Die digitalen Analysemöglichkeiten sind nahezu unendlich und vor allem schneller verfügbar als ausschließlich finanzorientierte Kennzahlen. Es geht aber nicht darum, Messungen um der Messung willen durchzuführen. Vielmehr sollten Unternehmen dies Möglichkeiten bereits bei der Ausgestaltung von Strategie und daraus resultierender Businessziele berücksichtigen. Frei nach dem Motto: Jedes Business-Ziel benötigt auch einen digitalen Zwilling.
Enterprise Architekturen | Im Zuge der digitalen Transformation muss sich auch die unternehmensinterne IT weiterentwickeln. Sowohl von ihrer Rolle als auch von ihren Aufgaben. Die Zeiten von on Premise Systemen, eigenen Hardwarefarmen und ausgeprägten Betriebsfokus gehen ihrem Ende entgegen. Fachliche Belange übernehmen die Führung bei der Auswahl und dem Einsatz von Anwendungen. IT Landschaften wandeln sich von monolitischen Kollossen zu heterogenen, Cloudbasierten „best of breed“ Anwendungslandschaften bei denen schnelle Implementierung und einfache Integration im Vordergrund stehen. Die IT kann und wird jedoch weiter eine wichtige Funktion haben. Nicht mehr in der Rolle des Bereitstellers von Hard&Software, sondern als Partner an der Seite der fachlichen Stakeholder als Architekten von Daten- und Prozesslandschaften.
- Was heißt das konkret für Unternehmen? | IT sollte zukünftig nicht mehr als abgeschlossenen Bereich mit umfangreicher Budgethoheit agieren. IT wird ein Wertschöpfungsfaktor für das Business und sitzt in einem Boot mit den Fachlichen Entscheidern. Nicht am Steuer, aber sinnbildlich als Lotse, als interner Berater, der auf Umsetzungsebene die Digitalisierung von Prozessen, die Einhaltung Ihrer Digital-Strategie und die Optimierung von Daten organisiert und begleitet.
Zugegeben – es ist herausfordernd, eine große Veränderung (vor allem in den Köpfen) ist notwendig, aber auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Und diesen ersten Schritt sollten Unternehmen jetzt machen. Wenn wir alle etwas aus den Eingangs genannten Krisen der jüngeren Vergangenheit oder Gegenwart lernen können dann, dass nach der Krise vor der Krise ist. Warten, aus welcher Motivation auch immer lohnt sich nicht und wird uns dem Ziel nicht näherbringen.
Beitrag von Christopher