In den meisten Unternehmen des Mittelstands hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass die digitale Transformation kein vorüberziehendes Phänomen sein wird. Doch wie die Umsetzung gestalten? Neben der notwendigen Strategie und dem Hinterfragen von Prozessen steht vor allem eines im Fokus, die Auswahl geeigneter (IT-) Systeme und Plattformen. Und genau das stellt für viele mittelständische Unternehmen (und Unternehmer) eine schwierige Herausforderung dar. Die digitale Landschaft ist komplex, der Markt unübersichtlich, und oft fehlt intern das nötige Fachwissen und die Erfahrung mit neuen Technologien, um eine fundierte Entscheidung zu treffen. In dieser Situation greifen viele Unternehmen auf externe Beratung zurück, die mit ihrer Expertise und Marktkenntnis unterstützen soll. Das ist ein grundsätzlich gangbarer Weg, allerdings gibt es bei der Zusammenarbeit mit Beratern einige Gesichtspunkte, die sorgfältig bedacht werden sollten, um unnötige Kosten und lange Entscheidungsprozesse zu vermeiden. 

Doch zuerst ein kurzes Statement in eigener Sache. Natürlich haben wir uns gefragt, ob es nicht anmaßend ist, sich als Berater, Implementierungsdienstleister und Partner führender Technologieunternehmen zur Rolle von Beratern zu äußern. Doch wir sind für uns zu dem Schluss gekommen, dass dem nicht so ist. Warum? Im Gegensatz zu klassischen Beratungsunternehmen und beratenden Einzelexperten nehmen wir nicht für uns in Anspruch, im Hinblick auf Systeme neutral zu sein. Unsere Expertise im Rahmen der digitalen Transformation liegt in der Optimierung von Prozessen und der Umsetzung digitaler Lösungen mit den Technologien unserer Partner. Doch durch unsere Arbeit sehen wir oft die Ergebnisse vorgenannter Beratungen und deren konkrete Auswirkungen auf Unternehmen. Diese Erfahrungen geben uns wertvolle Einblicke, die wir teilen möchten, um Unternehmen zum Nachdenken anzuregen und sie zu einer fundierten Entscheidungsfindung zu ermutigen. 

Warum Beratung?

Dass sich Unternehmen Beratung und Unterstützung bei der Auswahl von Systemen wünschen ist nachvollziehbar, denn die Vielzahl an digitalen Lösungen auf dem Markt ist schwer zu überblicken. Da die digitale Transformation für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit eine zentrale Rolle spielt, ist die Angst vor Fehlentscheidungen groß. Ein externer Berater kann hier als wertvolle Unterstützung wahrgenommen werden, um die Unsicherheit zu verringern und fundierte Empfehlungen zu erhalten. Allerdings zeigt sich in der Praxis, dass nahezu kein Berater den gesamten Markt im Blick haben kann. Bei der Anzahl von Themen, Anbietern und der Marktdynamik, vor allem bei spezialisierten oder neueren digitalen Lösungen, ist es für niemanden leicht, die zu 100% passende Option zu identifizieren. 

Die Rolle des Beraters 

Was folgt daraus? Berater haben in der Regel einen Überblick über ein bestimmtes Systemspektrum. Deshalb kann es – bewusst oder unbewusst – vorkommen, dass Systeme bevorzugt empfohlen werden, mit denen der Berater bereits Erfahrungen gesammelt hat. Dies ist nachvollziehbar und auch nicht unbedingt problematisch, solange diese Lösungen auch wirklich den Anforderungen des Kunden-Unternehmens entsprechen. Allerdings sollte eines klar sein, dass in so einem Fall die Auswahl bzw. Empfehlung nicht mehr wirklich objektiv ist. 

Um diesem Eindruck zu begegnen, wird von Beratern gerne versucht, die Evaluation für das Unternehmen strukturiert und transparent erscheinen zu lassen. Das äußert sich etwa in umfangreichen Ausschreibungs- und Auswahl-Dokumenten, die in den Auswahlprozess eingebracht werden. Dies sind z.B. umfangreiche Excel-Sheets mit denen schematisch (generisch?) Funktionalitäten und allerlei technische Details abgefragt werden. Manchmal nach dem Motto: „Die Menge machts“. Wie auch immer sich das Verfahren ausprägt, Objektivität wird dadurch nicht garantiert.  

Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt ist der Umfang der Beratung. Je mehr Systeme in Betracht gezogen werden, desto objektiver? Mitnichten! Mehrere Evaluationsrunden mit Full-Lists, Long-Lists, Short-Lists usw. sind Usus. Doch egal wie der Auswahlprozess strukturiert wird, eines bleibt ein Fakt: Viele Systeme zu evaluieren verlängert den Entscheidungsprozess – was sowohl die Kosten für die Auswahl in die Höhe treibt, vor allem aber wertvolle Zeit benötigt, die ebenso in die Umsetzung investiert werden könnte. Hier gilt es für Kunden-Unternehmen wachsam zu sein, den Beratungsprozess effizient zu gestalten und ein sinnvolles Gleichgewicht zwischen einer gründlichen Auswahl und einem zu langen Verfahren zu finden. 

Absicherung von Entscheidungen 

Ein häufiges Motiv für die Beauftragung eines Beraters ist der Wunsch nach Absicherung. Die Verantwortung für eine System-Entscheidung, die langfristige Folgen für das Unternehmen hat, wird gerne mit einem externen Berater geteilt. Dies kann beruhigend wirken, vor allem, wenn die interne Kompetenz in diesem Bereich begrenzt ist. Allerdings bedeutet diese Absicherung nicht zwangsläufig, dass das Unternehmen die beste Entscheidung trifft. Die Entscheider müssen verstehen, dass Berater nicht wirklich im besten Interesse des Unternehmens handeln können, da sie kein Teil davon sind. Und vor allem müssen sie sich darüber im Klaren sein, dass die Verantwortung für die finale Entscheidung nicht abgegeben werden kann. 

Die Frage nach dem Nutzen  

Prinzipiell kann die Zusammenarbeit mit Beratern für mittelständische Unternehmen eine wertvolle Unterstützung bei der Auswahl von Systemen sein. Allerdings ist es wichtig, den Einsatz von Beratern kritisch zu hinterfragen und die Erwartungen klar zu definieren. Unternehmen müssen einkalkulieren, dass Beratungsprozesse immer einen gewissen Zeit- und Kostenaufwand mit sich bringen. In vielen Fällen kann es sinnvoller sein, eine Entscheidung auf Basis der eigenen Analyse zu treffen, um Zeit zu sparen und die eingesparten Kosten direkt in die Umsetzung zu investieren. Aber auch ein ausgewogener Ansatz, der sowohl auf externe Expertise als auch auf die eigene Marktanalyse setzt, kann dabei helfen, die richtige IT-Lösung schneller und effizienter zu finden. 

Do it Yourself 

Alternativ hierzu empfiehlt sich die Systemauswahl als Chance zu begreifen eigenes Wissen aufzubauen. Ein erfolgreicher Systemauswahlprozess ohne externe Berater könnte mit einer internen Anforderungsanalyse starten. Hierbei ist es entscheidend, zukünftige Strategien und möglichst viele Stakeholder einzubeziehen, um die aktuellen, vor allem aber zukünftigen Notwendigkeiten und Bedürfnisse zu verstehen. Anschließend könnte eine Markt- und Lösungsrecherche erfolgen, bei der Erfahrungsberichte von befreundeten Unternehmen und unabhängige Marktanalysen – wie sie etwa von IDC, Gartner oder Forrester angeboten werden – wertvolle Einblicke bieten. Diese geben Orientierung und helfen, die Auswahl auf potenzielle Systeme einzugrenzen. 

Sobald eine Präferenz getroffen ist, sind gezielte System-Demos sinnvoll. Sie sollten auf realen, praxisnahen Anwendungsfällen, so genannten Use Cases, basieren und sich auf die Kernanforderungen konzentrieren, die im Alltag den größten Mehrwert bieten. Für eine fundierte Entscheidungsabsicherung kann zudem ein Proof-of-Concept (PoC) mit einem überschaubaren Budget durchgeführt werden, um die Umsetzbarkeit des Systems in der Praxis zu testen. Schließlich ist es sinnvoll, die Implementierung agil zu gestalten, um die Nutzungserfahrungen zu sammeln und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. So entsteht ein strukturierter, fundierter Prozess, der auf die tatsächlichen Bedürfnisse des Unternehmens ausgerichtet ist. 

Unsere Meinung 

Aus unserer Sicht sollten Unternehmen viel öfter darüber nachdenken, die Systemauswahl in Eigenregie durchzuführen. Die thematische Auseinandersetzung fördert den Aufbau von internem Know-how, reduziert Abhängigkeiten und schafft Transparenz im Unternehmen. Zudem spart es Geld und Zeit. Nicht zuletzt kann die interne Bearbeitung solcher Themen einen Motivationsschub für das Team und damit einen Einstieg in den Change-Prozess mit sich bringen.