„Denkfehler“, die man kennen sollte

Das Arbeiten in Projekten folgt manchmal eigenen Gesetzen. Nicht selten kommt es zu Stresssituationen oder anderen zwischenmenschlichen Irritationen. Dann ist es hilfreich zu verstehen, was in solchen Fällen in den Köpfen der Beteiligten passiert, um damit besser umgehen zu können. Deshalb wollen wir uns an dieser Stelle mit den psychologischen Phänomenen menschlicher Interaktion auseinandersetzen.

In der Projekt-Zusammenarbeit ist es unausweichlich, dass es von Zeit zu Zeit zu Verzögerungen, Fehlern oder Missverständnissen kommt. Das kann bereits in einem Vertriebsprozess passieren, ebenso wie bei der Projektumsetzung oder im Service. All zu gerne werden solche Vorkommnisse an einzelnen Personen oder Umständen festgemacht. Das ist „menschlich“ und teilweise nachvollziehbar, doch das wirklich Interessante daran ist, dass wir alle dieselben Fehler machen. Ganz gleich, für wie klug wir uns halten. Es ist hilfreich zu verstehen, was sich hierbei im Kopf abspielt.

Viele dieser Fehler oder Missverständnisse basieren auf gedanklichen “Abkürzungen”, mit denen wir hoffen, schneller zu denken. Sie werden in der Psychologie auch als Heuristiken oder auch Bias bezeichnet.

Wie das bei Abkürzungen manchmal der Fall ist, bringen Abkürzungen ein gewisses Fehlerpotenzial mit sich. Mit ihnen kann man besser umgehen, wenn man sich diesem Potenzial bewusst ist. Im Folgenden werden wir beispielhaft ein paar dieser „Abkürzungen“ aus unserem täglichen Umfeld aufzeigen, um damit das Bewusstsein zu schärfen und zu verhindern, dass sich Fehler wiederholen, die schon gemacht wurden.

Ankerheuristik

Einer dieser „Abkürzungsfehler“ kann zum Beispiel bei der Auswahl und Beschaffung von Softwarelösungen auftreten. Natürlich wurden im Laufe der Evaluation mehrere Anbieter kontaktiert. Angenommen, der erste Anbieter hat gleich, ohne die wirklichen Anforderungen zu kennen, einen Preis für die Lizenzgebühren und einen „Erfahrungswert“ für die Implementierung genannt.  Der Einkäufer nimmt die Zahlen auf und wartet das Scoping und die Angebote der anderen Hersteller / Implementierer ab. Er ist erschüttert von den Kosten und Aufwänden. Der erste Anbieter hatte ihm doch Zahlen genannt, die weit unter dem lagen, was er auf den Angeboten vor sich sieht. Der Gesamtkontext wird ausgeblendet. Auch wenn für seine Entscheidung nicht Anbieter A wählt, so wählt er doch denjenigen Anbieter, der am wenigsten weit weg von dieser Anfangsmarke ist.

Dieses Verhalten beruht auf der sogenannten “Ankerheuristik”. Sie orientieren sich – ob man es will oder nicht – an den Zahlen, die zum ersten Mal in diesem Zusammenhang gehört oder gesehen wurden. D.h., dass alle anderen Zahlen, ungeachtet ihres Ursprungs (Scoping, besseres Verständnis für die Gesamtsituation durch Workshops etc.)  in Ihrer Relation zu diesem Eingangswert bewertet werden.

Beispiel:

  • In dem Angebot, dass eingeht, wird ein Rabatt von 10 Prozent gewährt ohne dass dieser explizit in Euro ausgewiesen wird. Es bleibt im Gedächtnis, dass das Angebot günstiger als gewöhnlich ist. Das macht es attraktiv.
  • Ein anderer Anbieter weist in seinem Angebot einen Rabatt von 20 Prozent aus. Ungeachtet des tatsächlichen Preises, wird dieses Angebot als günstiger empfunden.

Das Beispiel soll zeigen, dass der Ankereffekt auf zwei Arten wirkt: Zum Einen werden die vorhandenen Zahlen ungeachtet ihrer relativen Größe beurteilt. Das heißt, dass, ganz unbewusst die Zahlen 10 und 20 miteinander verglichen werden, anstatt ihrer tatsächlichen Größe, bezogen auf den Angebotspreis, zu berücksichtigen. Die zweite Weise, wie der Ankereffekt wirkt, ist der s.g. Unterschätzungseffekt. Dieser resultiert aus der Annahme, dass die 20 Prozent aus dem einen Angebot die 10 Prozent aus dem anderen Angebot sicherlich übertreffen müssen, weil eine gleiche Ausgangssituation angenommen wird. Diese Effektkombination wirkt bei mindestens einem Drittel aller Menschen.

Verfügbarkeitsheuristik

Die zweite Heuristik führt häufiger auf der Umsetzungsebene in Projekten zu Problemen. Denn Sie beruht darauf, dass solche Informationen für gewichtiger gehalten werden, je leichter sie verfügbar sind. Die Verfügbarkeit von Informationen bedeutet dabei sowohl wie leicht es sich gestaltet an die Information gelangen (z.B. per Suche im Internet) aber auch wie leicht sie aus dem Gedächtnis abrufbar ist (d.h. was uns sofort dazu „einfällt“).

Hier einige Beispiele:

  • hat einer der Entscheider auf Kundenseiten erst kürzlich darüber gelesen, dass ein Konkurrent mit seiner eCommerce-Strategie sehr erfolgreich ist und diese in Rekordzeit umgesetzt hat, kann das zu einer falschen Erwartung führen („Wenn die das können, muss das doch auch bei uns möglich sein“)
  • Umgekehrt wird von einem Projektmitarbeiter eine Lösung erwartet, die am besten schon „gestern fertig sein sollte“. Es besteht die Gefahr, dass er eine Lösung präsentiert, an die er sich am einfachsten erinnern kann.
  • Umgekehrt fragt ein Mitglied des Projektteams KollegenInnen aus dem Fachbereich nach Usecases, erhält aber stattdessen einen Bericht über alles, was nicht funktioniert, da dies von den Befragten am einfachsten erinnert werden kann.

Diese „Abkürzung“ (Heuristik) kann am ehesten dadurch umfahren werden, dass  Anforderungen dokumentiert werden, Zeit für die Analyse und Konzeption eingeräumt wird, um spezifisch wie möglich vorzugehen. Dies entfernt Druck und „falsche“ Erwartungen aus dem Projekt und gibt allen Beteiligten die Chance, die bestmögliche Lösung anstelle der schnellsten zu finden.

Fazit

Keiner der beiden genannten „Denkfehler“ lässt sich einfach umgehen. Um objektiv zu bleiben, müssen bewusst Techniken angewandt werden, um diese „Denk“-Fehlerquellen auzushebeln. Im Beispiel der Ankerheuristik muss so spezifisch wie möglich vorgegangen werden, um der Preis in Relation zu dem Grad der erfüllten Anforderungen bemessen.

Um die „Denk“-Fehler aus der Verfügbarkeitsheuristik zu vermeiden, ist es ratsam, zu dem altbewährtem Muster von Analysieren, Spezifizieren, Umsetzen, Testen, Dokumentieren überzugehen und dafür ausreichend Zeit einplanen. Ansonsten erhält man als Ergebnis die erstbeste Lösung, die nicht unmittelbar die beste Ihrer Art sein muss.

Beitrag von Christopher Trube